Der schleichenden Ungleichbehandlung, die einzelne Medien in Thüringen bereits seit ein paar Jahren hinnehmen müssen, wurde am vergangen Donnerstag ein weiteres Kapitel hinzugefügt. Bei der symbolischen Besetzung des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz am vergangen Donnerstag (15.12.2011) wurde einem Journalisten von Radio F.R.E.I., das Mitglied im Bundesverband Freier Radios (BFR) ist, der Zutritt ins Foyer des Landesamtes verwehrt - trotz Vorzeigen eines Presseausweises.

Zeitgleich wurde Kolleginnen und Kollegen des MDR sowie der Nachrichtenagenturen dapd und dpa der Zugang gewährt. Damit gab es für Radio Frei nicht die Möglichkeit vor Ort mit den Besetzer_innen bzw. den Vertreter_innen des Verfassungsschutzes zu sprechen. Eine umfassende Berichterstattung nach journalistischen Kriterien wurde somit verhindert.

Für Radio F.R.E.I. steht diese Ungleichbehandlung in einer traurigen Kontinuität. In Ihrer Pressemitteilung vom 20.12.2011 schreibt Radio F.R.E.I.:

Immer wieder mussten wir in der Vergangenheit vor Polizei und anderen staatlichen Stellen die Legitimität unserer Berichterstattung erstreiten, bspw. bei Demonstrationen, Kundgebungen oder Recherchen, während Kolleg_innen anderer Medien unbehelligt bleiben. Wir sehen uns daher immer wieder nachhaltig in unserer journalistischen Arbeit behindert.

Auch mehr als 20 Jahre nach der friedlichen Revolution scheint für viele Verantwortungsträger_innen vor Ort die Pressefreiheit kein Recht zu sein, sondern eine Gefälligkeit, die man willkürlich vergeben kann." Vor diesem Hintergrund fordert die Redaktionssitzung von Radio F.R.E.I., der sich der BFR anschließt:

Radio F.R.E.I. wurde 1990 im Umfeld der Erfurter Bürgerbewegung als erstes Freies Radio Thüringens gegründet – und war damit auch das erste Freie Radio auf dem Gebiet der DDR. Als Freies Radio ermöglicht Radio F.R.E.I. Menschen die demokratische Teilhabe und Meinungsbildung an politischen, kulturellen und sozialen Entscheidungsprozessen. Radio F.R.E.I. versteht sich als ein nichtkommerzielles, konsensdemokratisches Medium, das inzwischen einen festen Platz in der Kultur- und Medienlandschaft der thüringischen Landeshauptstadt eingenommen hat. Derzeit arbeiten etwa 100 Programmmachende, zum aller größten Teil ehrenamtlich im Sinne einer pluralen Medienlandschaft, die in Thüringen besonders nötig ist.

UPDATE von Radio F.R.E.I. (23.12.2011)

Pressefreiheit für alle – auch beim Thüringer Verfassungsschutz

Auf unsere Anfrage vom 20.12.2011 über die Ungleichbehandlung eines Radio F.R.E.I. Journalisten im Zusammenhang mit der symbolischen Besetzung des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz erhielt Radio F.R.E.I. diese Antwort aus dem TLfV:

„Nachdem bereits ein Großteil der Demonstranten und ggf. auch einzelne vor Ort befindliche Pressevertreter das Gebäude betreten hatten, galt es, einen weiteren, unkontrollierten Zutritt in das [...] Areal des TlfV zu unterbinden. Folglich wurde - abgesehen von zwei Einlass suchenden Abgeordneten des Thüringer Landtags - weiteren Personen das Betreten des Gebäudes polizeilich verwehrt.“

Wir widersprechen dieser Behauptung. 

Neben dem Journalisten von Radio F.R.E.I. können mehrere Zeug_innen bestätigen, dass auch nach der Abweisung des Radio F.R.E.I. Journalisten andere Journalist_innen von der Polizei ins Gebäude gelassen wurden. 

Radio F.R.E.I. sieht daher die Forderungen um Aufklärung nicht erfüllt und wartet nach wie vor auf die Beantwortung dieser Fragen:

1. Wer trägt die Verantwortung für die Ungleichbehandlung verschiedener Journalist_innen an diesem Tag? 

2. Wie begründen Sie die Ungleichbehandlung verschiedener Journalist_innen an diesem Tag? 

3. Auf welcher rechtlichen Grundlage erfolgte der Ausschluss unseres Journalisten?

Durch die Antwort des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz hat sich für uns ein weiteres Problemfeld geöffnet:

Fraglich ist zudem, ob ein Foyer nach § 29 Abs. 3 Verschlusssachenanweisung als Sicherheitsbereich (im Vergleich zu Räumen bspw. vertraulicher Natur) zu sehen ist, da andere Journalist_innen scheinbar prob-lemlos durch eine „zuverlässige Prüfung“ gelangten. Deswegen fordern wir das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz auf, dieses Verfahren am Beispiel des Abends des 15. Dezembers zu erläutern unter besonderer Berücksichtigung der Darstellung der „zuverlässigen Prüfung“ unseres Kollegen.