Die Flensburger Ratsfraktionen von FDP und CDU beantragen, die Förderung von Radio Fratz zu streichen. Der Antrag der FDP als auch der Antrag der CDU offenbaren u.a. ein fragwürdiges Verständnis von Medien und journalistischer Arbeit. Mit dem diesem offenen Brief fordert der BFR beide Anträge zurückzuziehen: 

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Sehr geehrte Mitglieder der Flensburger Ratsfraktion von FDP und CDU

Mit einiger Verwunderung nehmen wir die von der Flensburger FDP forcierte Debatte zur Berichterstattung von Radio Fratz zum Flensburger Bahnhofswald zur Kenntnis. Ebenso besorgt uns, dass die CDU Flensburg diesem fragwürdigen Vorgehen beispringt, um eine beendet geglaubte Auseinandersetzung zu einem Passus aus dem Statut von Radio Fratz neu zu entfachen, um auf diesem Weg dem jungen Lokalradio die Existenzgrundlage zu entziehen. Es bedarf aus Sicht des Bundesverbands Freier Radios einer kurzen Auseinandersetzung mit beiden Vorgängen. Dies scheint notwendig, weil beiden Anträgen ein fehlendes Rechts- und Strukturbewusstsein in Bezug auf Medien & journalistische Arbeit zu Grunde liegt. 

 

Zum Antrag der FDP-Ratsfraktion (FA-15/2021 vom 26.02.2021)

Selten ist von Akteuren und Parteien aus dem demokratischen Spektrum ein derartig die Pressefreiheit einschränken wollendes Dokument veröffentlicht wurden. Das Heranziehen des Arguments einer „einseitigen Berichterstattung“, um mit diesem die Streichung der Förderung eines Mediums zu begründen, macht uns nahezu fassungslos. Im Artikel 5 des Grundgesetzes ist festgeschrieben, dass es keinen staatlichen Einfluss auf die Programmgestaltung oder die Programminhalte geben darf, was wegen ihrer Staatsnähe auch für politische Parteien gilt. Zudem wird im gleichen Artikel die Pressefreiheit als ein Recht definiert, das Einzelnen ermöglichen muss, Pressetätigkeiten ohne staatlichen Einfluss ausüben zu können. Eine Verpflichtung zur ausgeglichenen Berichterstattung ist hingegen in Mediengesetzen und in den Lizenzen für Freie Radios nirgends festgeschrieben. Diese Aspekte ignoriert die FDP-Ratsfraktion mit ihrem Antrag.

Um die Staatsferne gewährleisten zu können und Medien gleichzeitig so fördern zu können, dass kommerzielle Aspekte keinen Einfluss auf die durch die Medien verbreiteten Inhalte haben, gibt es den Rundfunkbeitrag u.a. zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Kleine Teile dieses Beitrags fließen in die Medienanstalten. Die wiederum können mit diesen Mitteln nichtkommerzielle Radios/Freie Radios und Offene Kanäle finanzieren. 

Da die den Medienanstalten zur Verfügung stehenden Gelder nicht im notwendigen Umfang für eine auskömmliche Finanzierung der sogenannten Bürgermedien vorhanden sind, sehen wir in einzelnen Bundesländern und Kommunen, dass für die strukturelle Absicherung der Bürgermedien Haushaltsmittel eingesetzt werden. Dies passiert in der Regel mit dem Bewusstsein um die in der Verfassung vorgegebene Staatsferne. Die Finanzierung zielt vor diesem Hintergrund nur auf die Förderung von Infrastrukturen der Sender ab. Ziel dieser Förderungen ist es, dass sich die journalistische und kulturelle Bereicherung der Kommunen via lokal produzierter Rundfunkangebote an den Interessen, Themen und Schwerpunkten der Medienmachenden orientieren kann. Die Räume und Infrastrukturen, die in den „Mitmachsendern“ zum Treffen, Planen, Recherchieren oder Produzieren benötigen, werden durch diese Förderungen gesichert. Um es ganz klar zu formulieren: Programminhalte sind von einer solchen Förderung ausgeschlossen, eine Bewertung dieser durch politische Akteure und Fördernde allerdings ebenso.

Das soll keineswegs heißen, dass die Inhalte und Formen der Programme der Freien Radios nicht zu kritisieren sind. Das müssen sie sogar sein! Aber hierbei sind Sanktionsabsichten vor allem durch politische Parteien auszuschließen. Es gäbe sowohl die Möglichkeit der direkten Kommunikation mit den Radiomachenden und bei vermuteten medienrechtlichen Verstößen die Möglichkeit der Programmbeschwerde bei der für den Sender zuständigen Medienanstalt. Hier können Beanstandungen eingebracht werden und hier werden von parteipolitisch unabhängigen Akteuren gegebenenfalls Inhalte gerügt, werden bei festgestellten Verstößen die verantwortlichen Sender sanktioniert. Beide Wege standen und stehen der FDP-Ratsfraktion offen und wir fordern die FDP-Fraktion hiermit auf, sich an den gegebenen rechtlichen Regelungen zu orientieren.

Zur geplanten Zustimmung der CDU-Fraktion zum unhaltbaren Antrag der FDP (FA-15/2021, 1. Ergänzung vom 5.3.2021) 

Die inhaltliche Distanzierung vom Antrag der FDP, einhergehend mit der Ankündigung diesem zuzustimmen, belegt aus unserer Sicht ein fragwürdiges Demokratieverständnis. Dass durch die Hintertür versucht wird, eine ausdiskutierte und abgeschlossene Debatte zu reanimieren und somit ihre nicht mehrheitsfähige Position doch noch durch den Stadtrat bringen zu wollen, hinterlässt bei uns den Eindruck, dass die Flensburger CDU-Fraktion nicht nur eine schlechte Verliererin ist.

Auf der Website der CDU Flensburg schreiben Sie, von „diskriminierenden Statuten des „Freien Radios Fratz“ aus Flensburg.“ , weil der Sender darin Angehörige von Strafverfolgungsbehörden von der Mitarbeit im Sender ausschließt. Die Behauptung einer Diskriminierungssituation, die Sie in den Statuten von Radio Fratz herauszulesen glauben, ist nicht haltbar. Nach der Definition der Anti-diskriminierungsstelle des Bundes sind Ungleichbehandlungen keine Diskriminierungen, wenn sie sachlich gerechtfertigt sind. Dass dies hier der Fall ist, begründet sich ebenso mit der gebotenen Staatsferne des Rundfunks, die selbstverständlich auch für Vertreter*innen der Exekutive eines Staates gilt. 

Es geht also auch im wiederholten Vorstoß der CDU-Fraktion um einen Angriff auf die Pressefreiheit, auf ein Grundrecht, das als eine wesentliche Voraussetzung für eine intakte Demokratie gilt und das -wie alle Grundrechte- ein Abwehrrecht für Bürger*innen gegen den Staat darstellt. 

Dieses Grundrecht darf nicht dadurch ausgehöhlt werden, dass Mitglieder der staatlichen Exekutive Zugang zu Recherchematerial oder Adressen von Informant*innen etc. bekommen könnten oder Journalist*innen in ihrer Arbeit gehindert werden, weil beispielsweise im Medium anwesende Polizist*innen Kommunikationen mit Informant*innen verunmöglichen oder Polizeibeamte, die im Interesse ihrer Behörde handeln, durch ihr Handeln im Medium journalistische Standards unterlaufen. 

Des Weiteren obliegt den Medien als 4. Gewalt u.a. die Aufgabe, staatliche Machtanmaßungen zu beobachten, zu kritisieren und zu kontrollieren. Hier zeichnet sich ein nicht zu ignorierender Rollenkonflikt für Mitglieder von Strafverfolgungs-behörden -also der staatlichen Exekutive- ab. Der genannte Rollenkonflikt floss in die Erarbeitung des Statuts von Radio Fratz genauso ein wie der zu gewährleistende Quellenschutz, der nicht ohne Grund als wesentlicher Eckpfeiler der Pressefreiheit bezeichnet wird. Informationen gelten als ein zentrales Gut der journalistischen Arbeit, weshalb beispielsweise die Zivil- als auch die Strafprozessordnung die Informationsquellen von Journalist*innen besonders schützt. 

Um es abschließend noch einmal zu verdeutlichen: Der Artikel 5 Abs. 1 des Grundgesetzes gilt für alle journalistisch Tätigen. Er gilt für Schüler*innenzeitungen, für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und ebenso für Freie Radios. 

Der Bundesverband Freier Radios appelliert an die Flensburger Ratsfraktionen von FDP und CDU: Ziehen Sie ihre Anträge zurück und üben Sie Kritik an Inhalten so, wie es der dafür geschaffene rechtliche Rahmen vorsieht!

Als Bundesverband Freier Radios stehen wir Ihnen gern für weiterführende Erläuterungen zur Verfügung. Wir hoffen auf eine Lösung, die es dem jungen Sender aus Flensburg weiterhin ermöglicht, auch unterrepräsentierte Perspektiven auf Geschehnisse und Entwicklungen im Sendegebiet in die öffentlichen lokalen Debatten einfließen zu lassen.