Die Aktionstagung, veranstaltet von der Heinrich-Böll-Stiftung in Kooperation Radio CORAX, geht der historischen Entwicklung der Freien Radioszenen in der BRD und der ehemaligen DDR nach. Sie diskutiert die Herausforderungen, unter denen Freie Radios international, europäisch und auch im bundesrepublikanischen Kontext unter den Bedingungen des europäischen Rechtsrucks und der zunehmenden Polarisierung politischer Auseinandersetzungen gegenwärtig agieren. Denn der Erfolg rechter Strömungen setzt freie Radioprojekte als offene Räume der Inklusion und Selbstermächtigung überall dort unter Druck, wo autoritäre Gesellschaftsprojekte die Demokratie an sich unter Druck setzen – und das nicht nur international, sondern auch in Europa.
Deshalb lohnt ein vergleichender Blick auf die Situation Freier Radios besonders in den Regionen, in denen die Zivilgesellschaft und der freie Zugang zur Öffentlichkeit in Gefahr sind. Zudem fragen wir Radio-Aktivist*innen nach dem bundesrepublikanischen Zugang zu Radio-Öffentlichkeit, loten das Verhältnis von Öffentlichkeit und Gegenöffentlichkeit aus und stellen Radio-Praxen von (Gegen)Öffentlichkeit vor.
Programm:
Do, 19.9, 18 Uhr, Kino Zazie
Wir bitten nicht länger um Erlaubnis (Film und Diskussion)
Am Bodensee ertönte „Radio Wellenbrecher“, in Offenburg „Radio Paranoia“, in Regensburg „Radio Freie Schnauze“, in Hamburg „Radio Hafenstraße“, in Köln „Radio Wahnsinn“ und in Göttingen „Radio Pflasterstein“. Auch in der BRD entstanden Ende der 70er Jahre illegale Piratensender, die selten länger als 30 Minuten pro Aktion und aus Protest gegen Umweltzerstörung, Atomkraftwerke oder Wohnraumnot via UKW agitieren. Sie wurden von Polizei und Bundespost verfolgt. Fünf Jahre Haft war die Höchststrafe. Einige Richter und Staatsanwälte stellten gar das Hören der Sender unter Strafe. Es kam zu Dutzenden Verurteilungen. Razzien und Repression waren beispielsweise in Freiburg (Radio Dreyeckland) an der Tagesordnung. Darüber berichtet der Film "Wir bitten nicht länger um Erlaubnis". Im Anschluss diskutieren Jan Bönkost (Historiker) und Heide Platen (Radio-Piratin ab 1980 in Frankfurt). Zudem kommen wir mit Dirk Teschner ins Gespräch. Teschner - der Ende der 80er Jahre in Karl-Marx-Stadt Aufnahmen eines illegalen Berliner Piratenradios verbreitete - wurde zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
*******************
Freitag 20.9.
7-19 Uhr OnAir
Gespräche und Hintergründe zur Geschichte und Situation Freier Radios weltweit
10:30 Uhr, Radio Corax
vernetzendes Redaktionsfrühstück zum Thema: Freies Radio und politischer Rechtsruck – Zur Situation in Sachsen (nicht publikumsoffen)
anschließend OnAir: Diskussion mit Teilnehmer*innen zum Thema
19 Uhr, WuK Theater Quartier
Unter Druck – Freie Radios in Ungarn und Österreich
Eine kritische mediale Öffentlichkeit existiert im von Orban regierten Ungarn kaum noch: Die seit 2010 geltenden Mediengesetze schränken die Medienvielfalt drastisch ein. Viele Zeitung und Radios wurden geschlossen. Die wenigen noch existierenden freien Radios Ungarns, haben Wege gefunden der Repression zu entgehen und befinden sich in einer bizarren Situation: Ihre Arbeit hat neue Bedeutung gewonnen, die Hörer und Hörerinnenzahlen steigen. Es zeigt sich: Wo keine unabhängige Medienlandschaft mehr existiert, wird die Arbeit des freien Radios umso wichtiger. Wir sprechen mit Akos Cserhati von Civil Radio in Budapest - das freie Radio sendet seit 24 Jahren.
Zudem ist Martin Wassermair zu Gast, der bei zwei Projekten aktiv ist, die seit Jahren von der österreichischen FPÖ angefeindet und bekämpft werden: Radio FRO und Dorf TV aus Linz.
Michael Nicolai, Präsident der europäischen Sektion des Weltverbandes der Freien Radios, gibt einen Überblick über den Kampf autoritärer Gesellschaftsprojekte gegen Freie Radios.
*******************
Samstag 21.09.2019 WuK Theater Quartier
10:30-12:00 Uhr
Vom Anfangen und Weitermachen
Diskussionsrunde u.a. mit Stefan Tenner (Freies Radio Neumünster) und Susan Goldammer (Radio F.R.E.I., Erfurt und Vorstand BFR)
13:00-14:30 Uhr
Öffentlichkeit und Gegenöffentlichkeit – Perspektiven und Aufgaben Gespräch mit:
Torsten Liesegang (u.a. Autor des Buches „Öffentlichkeit und öffentliche Meinung: Theorien von Kant bis Marx (1780-1850)“) Jakob Hayner (Journalist und freier Autor)
15:00-17:00 Uhr
Vom Anspruch zur Praxis – Beispiele aus Rostock, Erfurt und Freiburg
Podiumsdiskussion mit Vertreter*in des Projekts “Radio Utopia” (Radio Lohro, Rostock) Vertreter*in des radioübergreifenden feministischen Sendetags in Erfurt Vertreter*innen von Colourful Voices – Netzwerk der Geflüchtetenredaktionen (Freiburg/Berlin/Erfurt)
Für die Planung des Caterings ist eine Anmeldung für die Panels am Samstag sind bis zum 13.9.2019 unter anmeldung [ät] boell-sachsen-anhalt.de gewünscht.