Die beiden Community Radiosender und BFR-Mitglieder Radio Z (Nürnberg) und (Radio) LORAMünchen sowie die Kampagne „Medienvielfalt für Bayern“ begrüßen die Entscheidung des Medienrates der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien vom 19. Juli 2012 zur Ausstrahlung ihrer Programme im Digitalradio-Standard DAB+ ab 31.10.2012 in Nürnberg bzw. 30.11.2012 in München.
Die beiden Hörfunk-Anbieter können ihr Programmangebot auf der digitalen Frequenz im Vergleich zur UKW Ausstrahlung erweitern. Radio Lora wird werktäglich 23 Stunden auf DAB+ senden. Radio Z wurde ein eigener 24-Stunden-Kanal genehmigt.
„Wir werten das als Zeichen dafür, dass unsere Argumente für die Anerkennung und eine stärkere Förderung von Community Media in Bayern beim Medienrat auf fruchtbaren Boden gefallen sind“, sagt Kampagnen-Sprecher und Z-Vorstand Michael Liebler. „Bei einem Gespräch mit dem Hörfunkausschuss im Vorfeld dieser Entscheidung haben wir den erfreulichen Eindruck gewonnen, dass dort eine intensive Diskussion über Bürgermedien und Community Media stattfindet“.
Der bevorstehende Umstieg auf digitale Frequenzen bringt nicht nur Vorteile, sondern es lauern auch Fallstricke für Anbieter und HörerInnen. Das zeigt schon die mehrmalige Verschiebung des Zeitpunkts, an dem die UKW-Frequenzen abgeschaltet werden sollen. Dieser war zunächst für 2010, dann für 2012 und anschließend für 2015 vorgesehen.
Mit dem „Gesetz zur Änderung kommunikationsrechtlicher Regelungen“ vom Mai 2012 wurde die Abschaltung spätestens für das Jahr 2025 festgelegt. Die meisten RadiohörerInnen sind jedoch über die bevorstehende Umstellung kaum informiert. Es ist unklar, welche Akzeptanz bei VerbraucherInnen besteht, analoge Geräte durch teure digitale zu ersetzen.
Bei der Umgestaltung der Frequenzlandschaft besteht die Notwendigkeit trotz der zu erwartenden Erweiterung von Sendegebieten, diejenigen Angebote zu erhalten, die auf HörerInnen im unmittelbaren lokalen Umfeld zugeschnitten sind. Hier sehen sich auch die Community Radios in der Verantwortung,neue Konzepte zu entwickeln. So wäre es denkbar, neue Lokalredaktionen in einem erweiterten Sendegebiet aufzubauen, die HörerInnen vor Ort mit Informationen erreichen und lokale Soziokulturen sowie zivilgesellschaftliche Gruppen repräsentieren.
Als Grundvoraussetzung für eine stärkere Rolle der Community Media bei der Gestaltung des Rundfunks fordert die Kampagne „Medienvielfalt für Bayern“ eine verbindliche Basisförderung und die gesetzliche Anerkennung für Community Radios in Bayern: „Dies ist die einzige Möglichkeit, über die beiden Ballungsgebiete Nürnberg und München hinaus neue Community Radios zu gründen, um kulturelle Vielfalt, soziale Teilhabe und die lokale Verankerung zu unterstützen“, erklärt die Geschäftsführerin von Radio Z in Nürnberg, Syl Glawion.
Verbände europäischer Community Radios aus insgesamt 12 Ländern haben jüngst bei einem Treffen in Brüssel den EU-Parlamentariern Vorschläge für die künftige Digitalisierung des Hörfunks vorgelegt. Warum Bayern dringend Community Media braucht, erklärt Prof. Dr. Jeffrey Wimmer vom Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienkultur an der Leuphana Universität Lüneburg, im unten angefügten Text.
Kontakt für Rückfragen und ausführlichere Informationen:
Michael Liebler, Radio Z, Telefon 0179 6742185,
Syl Glawion, Radio Z, Telefon 0911 4500633,
Eine Initiative von Radio Z und Radio LORA
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Interview vom 1. August 2012 auf Radio CORAX in Halle mit Syl Glawion von Radio Z aus Nürnberg
Anmoderation: Digitalisierung der Medien - das klingt nicht nur sperrig, sondern das versteht so richtig auch niemand. Erstmals war es im Frühjahr diesen Jahres in der Allgemeinheit Thema, als das Fernsehsignal von analog auf digital umgestellt wurde. Eventuell haben Sie zu dem Personenkreis gehört, der sich plötzlich einen Receiver zulegen musste. Alles in allem verlief der Wechsel aber eher problemlos. Ähnliches ist nun für das Radio geplant. Allerdings wird da schon seit Jahren herumgedoktert und der Wechsel immmer wieder hinausgezögert. Nun scheint das Land Bayern vorzupreschen und die Pläne umzusetzen. Zumindest wurden am 19. Juli entsprechende Beschlüsse durch die bayrische Landesmedienanstalt gefasst. Radio Z schickte daraufhin eine freudvolle Stellungnahme in die Welt. Was an den Beschlüssen so Freude bereitend ist, erklärt Syl Glawion. Sie ist Geschäftsführerin des Nürnberger Radio Z und ausserdem in der Kampagne für Medienvielfalt in Bayern engagiert.
Anhören: http://www.freie-radios.net/50019
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Relevanz von Community Media in Bayern
Community Media sind heutzutage ein welt- und europaweites Phänomen. Deutschland kann hier medienpolitisch als Nachzügler bezeichnet werden. Allen Angeboten von Community Media ist gemeinsam, dass sie jedem Bürger den unmittelbaren Zugang zu den Medien eröffnen möchten.
Diese Hauptfunktion erscheint vor allem vor dem Hintergrund wichtig, dass nicht klar ist, ob die aktuellen Öffentlichkeitsstrukturen gerade auf lokaler Ebene gesellschaftliche Teilhabe auch in einem digitalen Zeitalter noch umfassend gewährleisten können (vgl. grundlegend Jarren/Krotz 1998). Wegen der zivilgesellschaftlichen Trägerschaft kommen Community Radios den aktuell sehr hohen partizipatorischen Ansprüchen des Publikums besonders nah. In Deutschland sind daher mehr Menschen ehrenamtlich mit dem Radio befasst als hauptberufliche Radioredakteure.
Community Media wie Radio Z kompensieren als Artikulations- und Selbstdarstellungsmedium einerseits das Kommunikationsbedürfnis der lokalen und regionalen, sozialen und kulturellen Gruppen, andererseits bilden sie mit ihrer mehrsprachigen Programmgestaltung wichtige soziale Knotenpunkte und fördern den sozialen und interkulturellen Dialog. Community Media gewinnen damit aktuell gerade in Ballungsgebieten u.a. neue Bedeutungen besonders für Migranten und andere benachteiligte Gruppen. Nicht nur mit ihrer traditionellen Rolle ‚den Stimmlosen eine Stimme’ zu geben, sondern auch im Sinne der Medienpädagogik stellen sie wichtige, dialogorientierte Lernorte für multiple Kompetenzen dar, die geeignet sind, die kritische und selbstbestimmte Handlungsfähigkeit (benachteiligter) gesellschaftlicher Gruppen und Individuen zu erweitern. Community Media greifen damit gezielt aktuelle gesellschaftlichen Herausforderungen auf und erfüllen auf ihre Art Formen des ‚Public Service’ von unten. Aber auch mit ihrer ergänzenden und korrigierenden Berichterstattung tragen sie zu einer Erweiterung des Informationsspektrums an sich und zu einer liberalen Öffentlichkeit bei.
Wenn man aktuellen Ergebnissen der empirische Forschung zur Wirkung und Nutzung von Massenmedien folgt (z. B. Couldry et al. 2007, Wimmer 2007), können diese geschilderten Funktionen nicht allein – wie in Bayern bislang geschehen – durch die Übernahme ausgewählter Beitrage einzelner zivilgesellschaftlicher Akteure wie z. B. kirchlicher Gruppen in das Programm des kommerziellen Rundfunks oder durch den Aufbau von Ausbildungs- und Fortbildungskanälen geleistet werden. Es muss vielmehr grundlegend für eine gesicherte Infrastruktur und eine stete Qualitätssicherung der bisherigen Community Media in Bayern gesorgt werden, damit diese den Herausforderungen der Digitalisierung der Radiolandschaft und des Gender Mainstreaming meistern können. Diese öffentliche Finanzierung sichert nicht zuletzt auch die gesellschaftliche Anerkennung, die letztendlich notwendig ist, um die Existenz von Community Media als innovative Medien mit offenem Zugang zu sichern.
Literatur
Couldry, N./Livingstone, S./Markham, T. (2007): Media Consumption and Public Engagement. London: Palgrave Macmillan.
Jarren, O./Krotz, F. (Hrsg.) (1998): Öffentlichkeit unter Vielkanalbedingungen. Baden-Baden: Nomos
Wimmer, J. (2007): (Gegen-)Öffentlichkeit in der Mediengesellschaft. Wiesbaden: VS.
Kontakt
Prof. Dr. Jeffrey Wimmer
Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienkultur
Leuphana Universität Lüneburg
Scharnhorstrasse 1
21335 Lüneburg
Telefon: (04131)-677-2762
e-mail:
http://www.leuphana.de/institute/ifkm.html