Die historische Sendereihe Zwischenfälle im Stoffwechselmagazin auf der 95.8 bei Radio Z wird mit dem Alternativen Medienpreis 2023 ausgezeichnet.
Die Jury wertete das einstündige Feature „Unser Haus“, das die Hausbesetzungsbewegung 1980/81 und speziell die Ereignisse in Nürnberg behandelt, als den besten Beitrag, der in der Kategorie Geschichte eingereicht wurde.
Wir gratulieren!
Heiligabend 1980 dringt eine Gruppe Jugendliche in ein Haus in der Johannisstraße ein. Damit beginnt der Beitrag von Michael Liebler und Nadja Bennewitz. Die Ereignisse gipfeln in den sogenannten KOMM-Verhaftungen, von denen 141 Jugendliche betroffen sind. Ein Skandal, der auch über die Grenzen Bayerns hinaus Aufsehen erregt.
Die jugendlichen HausbesetzerInnen waren Teil einer Bewegung, die unter anderem auf eine verfehlte Stadtplanungspolitik,Wohnungsnot und Spekulation reagierte. Die Akteuerinnen und Akteuere von damals berichten über das Geschehen und ihre Motive. Das radikale Lebensgefühl einer Zeit der Utopien und des Zorns, in der Barrikaden brannten und Häuser besetzt wurden, wird so für die HörerInnen lebendig.
Im Zentrum der Ereignisse steht die Nürnberger Massenverhaftung vom 05. März 1981. Sie wurde in Nürnberg mehrfach gut dokumentiert, u.a. im Film der Medienwerkstatt Franken „Die KOMM- Massenverhaftung“ von 2011. Diese Berichte setzen den Fokus auf den 05. März und auf das an den Verhafteten begangene Unrecht – ein wichtiger und richtiger Aspekt, aus der die Vorgeschichte und die Folgen betrachtet werden.
Der Beitrag „Unser Haus“ erzählt hingegen aus der Perspektive junger Leute, die sich organisieren und mit Hausbesetzungen gegen soziale Ungerechtigkeit und die Enge der Gesellschaft angehen wollen. Dem begegnen Staat und Justiz mit Repression. Die Massenverhaftung am 05. März ist zwar der Höhepunkt dieser Repression, aber nicht das Ende ihrer Politisierung.
Ihr Handeln steht sowohl im Zusammenhang mit einer europaweiten Jugendrevolte als es auch Antwort ist auf eine verfehlte Stadtplanungspolitik. Die Forschungsresultate des Politologen Dr. Armin Kuhn eilen unseren ZeitzeugInnen zu Hilfe: Sie sind nicht gescheitert, sondern haben Freiräume erkämpft und neue, menschlichere Leitbilder für Stadtentwicklung durchgesetzt, die auch heute noch Gültigkeit haben.
„Über diesen Preis freuen wir uns außerordentlich“, sagt Nadja Bennewitz. „Er ermutigt uns darin, Geschichten von Menschen zu erzählen, die aufbegehren und sich selbst ermächtigen.“ „Das war der bisher schwierigste Radiobeitrag meines Lebens“, gibt Michael Liebler zu, der selbst einer der Besetzer von 1980 war. „Für den Chronisten ist die Verstrickung in die Ereignisse ja eigentlich nicht unbedingt die beste Ausgangslage. Toll dass es dafür nun einen Alternativen Medienpreis gibt“.
Die Geschäftsführerin von Radio Z, Syl Glawion freut sich mit: „Dieser Preis bestätigt die Bedeutung von Community Media als Knotenpunkt der emanzipatorischen Zivilgesellschaft“
Wir freuen uns auch besonders: Michael Liebler ist in der Technik für freie Radios engangiert und hat auch über Jahre diese Seite technisch betreut.
Wie alle anderen Beiträge der Redaktion ist „Unser Haus“ dauerhaft im Internet abrufbar:
https://zwischenfaelle.radio-z.net/feature/unser-haus
Die Redaktion der Zwischenfälle:
Nadja Bennewitz M.A. arbeitet seit 1996 als selbständige Historikerin und wissenschaftliche Autorin mit dem Schwerpunkt auf historischer
Frauen- und Geschlechterforschung. Aufgewachsen in Italien und nach einem Studienaufenthalt in Venedig 2004/05 ist neben der Forschung zur Lokal-und Regionalgeschichte auch die Arbeit mit Zeitzeug:innen aus Deutschland und Italien über die Zeit des Nationalsozialismus, des Faschismus und der Nachkriegszeit ein Kernpunkt ihrer Arbeit. Seit 2007 ist sie wissenschaftliche Angestellte an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU).
Michael Liebler brach mit 18 die Schule ab und schloss sich der Hausbesetzungsbewegung an. Er übte wechselnde Tätigkeiten aus, z.B. als Produktionshelfer und Lagerarbeiter, später als Mietwagen- und Taxifahrer. Von 1995 bis 2008 war er als Journalist für das freie Radio Z in Nürnberg im Magazin Stoffwechsel tätig. Seit 2009 ist er hauptberuflich Webentwickler.
Seit 2023 ist auch der Historiker Leo Stöcklein festes Mitglied im Team. Er schloss sein Studium in Bochum und Erlangen in den Fächern Latein, Geschichte und Sozialkunde mit dem ersten Staatsexamen für das gymnasiale Lehramt ab und arbeitet seit Februar 2021 an einemDissertationsprojekt zur Erinnerungskultur des Völkermordes an den Sinti und Roma.
Die Preisverleihung des Alternativen Medienpreises 2023 wurde am Freitag, 26. Mai 2023, um 19 Uhr live auf dem YouTube-Kanal der Stiftung Journalistenakademie gestreamt.
Der Link: https://www.youtube.com/@Journalistenakademie/streams
Direktlink zur Laudatio https://www.youtube.com/watch?v=0O7zwuRuqhc&t=2578s
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Ansprechpartnerin bei Radio Z:
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