Am 8. Oktober 2018 beschloss der Medienrat der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb), die Sendelizenzen für den nichtkommerziellen Hörfunk in Berlin und Brandenburg entgegen der Intention der eigenen Ausschreibung zu vergeben. Mit diesem Beschluss werden die Freien Radios und die Freien Radio-Gruppen in Berlin und Brandenburg benachteiligt. Die Pressemitteilung der Betroffenen Radiogruppen findet sich hier.
Der BFR wendet sich nun mit einem offenen Brief an die Mitglieder des Medienrates, den wir hier veröffentlichen:
Sehr geehrte Mitglieder des Medienrates der Medienanstalt Berlin-Brandenburg,
mit Erstaunen haben wir Ihre Entscheidung zur Vergabe der Sendelizenzen für den nichtkommerziellen Radiobetrieb auf den UKW-Frequenzen 88,4 MHz in Berlin und 90,7 MHz in Potsdam zur Kenntnis genommen.
Mit Ihrem Beschluss bevorzugen Sie entgegen Ihrer Zuständigkeit für zwei Bundesländer die Berliner Anbieter*innen auf Kosten der Freien Radiogruppen in Brandenburg. Eine Vergabe von Rundfunklizenzen, die sich auf den Rundfunkempfang in beiden Bundesländern auswirkt, sollte Anbieter*innen aus beiden Bundesländern entsprechend berücksichtigen.
Des Weiteren ist es für uns nicht nachvollziehbar, warum mit Ihrer Entscheidung die Freie Radios Berlin Brandenburg GbR weniger Sendezeiten zur Verfügung bekommen soll, als den in der GbR zusammengeschlossenen Radiogruppen im letzten Lizenzierungszeitraum zusammen zugestanden wurden. Die Sendeflächen des RAW-Studios und des Inklusionsradios „Ohrfunk“ von und für sehbehinderte Menschen werden mit der Entscheidung willkürlich gestrichen. Für die betroffenen Redaktionen bedeutet das ein abruptes Ende nach jahrelanger Programmarbeit. Die Freie Radios Berlin Brandenburg GbR ist mit ihrem Programm auf die Hörer*innen in beiden Bundesländern ausgerichtet und garantiert vor allem aber ein deutlich vielseitigeres Programm, wie auch Ihre Evaluationen aufzeigen. Sie ist zudem deutlich integrativer und partizipativer aufgestellt und zeichnet sich seit Beginn des UKW-Betriebs durch gelebte Zugangsoffenheit aus, auch wenn diese aufgrund der geringen finanziellen Mittel aus reiner Eigenleistung bisher weit hinter dem eigenen Anspruch zurückbleiben musste.
Am gravierendsten allerdings ist aus unserer Perspektive, dass Sie sich mit Ihrer Entscheidung ohne weitere Erläuterung gegen die Vorgabe Ihrer eigenen Frequenzausschreibung stellen, die sich entsprechend dem Medienstaatsvertrag an einen künftig einzigen Anbieter für die gesamte Frequenz richtete. Dieses Ziel wurde auch in dem zeitintensiven Einigungsverfahren verfolgt. Die Vertreter*innen von frrapó und FRB erarbeiteten in diesem Rahmen Entwürfe für einen Dachverband, die bei der Delegation des 88vier-Netzwerks weder Zustimmung noch konstruktive Gegen- oder Änderungsvorschläge fanden. Den versuchten Kompromissen zwischen den Freien Radiogruppen aus Berlin und Brandenburg und dem exklusiven Konsortium aus Cashmere Radio und reboot.fm wird keine Rechnung getragen. Die mit Ihrer Entscheidung einhergehende Positionierung übergeht beispielsweise den bereits erreichten Konsens in Bezug auf die Anerkennung der BFR-Charta durch die Antragstellenden.
Die in den moderierten Gesprächsrunden gemeinschaftlich erstellte Statusabfrage zu den aktuell auf den NKL-Frequenzen sendenden Radiogruppen bleibt in der Entscheidung ebenfalls unberücksichtigt. Wir erkennen beim 88vier Radio Netzwerk Berlin darin keinen entscheidenden Vielfaltsbeitrag, der nicht durch die GbR gewährleistet werden könnte. Die Erhebung lässt erhebliche Zweifel an dem vorgeblich erhöhten Sendebedarf von reboot.fm und seinen Partner*innen aufkommen. Die Studios radiomobil und Savvy Funk stellten sich laut Nachforschungen des Moderators Stefan Tenner als inaktiv heraus. Studios wie das Geflüchtetenradio „WeAreBornFree“ und das Ausbildungsradio BLN.FM, die von Steffen Meyer-Tippach im RadioEins-Medienmagazin vom 20. Oktober 2018 bespielhaft genannt wurden, senden schon jetzt auf horizontalen Schienen quer durch die Woche, die nahtlos weitergeführt werden könnten. Der einzige weitere Akteur des 88vier-Netzwerks neben reboot.fm, Cashmere Radio, könnte über gemeinsame Absprachen leicht ins Programmschema integriert werden.
Nicht unerwähnt bleiben muss leider auch die mit Ihrer Entscheidung offenbar gewordene Nichtwürdigung der Einigungs- und Verhandlungsbereitschaft der Freien Radios aus Berlin und Brandenburg gegenüber den Akteur*innen von reboot.fm. Obwohl diese Verhandlungsbereitschaft dort über viele Jahre auf Ignoranz stieß, wird reboot.fm mit dieser Entscheidung eindeutig bevorteilt. Eine Einigung war für reboot.fm aus unserer Perspektive nie Kern des Interesses, weil eine an der Zahl der in den Radiogruppen Mitwirkenden orientierte proportionale Sendeplatzvergabe deutlich weniger Sendezeit für reboot.fm zur Folge hätte.
Wir fordern die Mitglieder des Medienrates der Medienanstalt Berlin-Brandenburg hiermit auf, diese unglückliche und ungerechte Entscheidung zurückzunehmen und nach Wegen zu suchen, das durch Ihre Entscheidung zerstörte Vertrauen auf Seiten der Freie Radios Berlin Brandenburg GbR wiederherzustellen.
Für Rückfragen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Mark Westhusen
Geschäftsführender Vorstand
Bundesverband Freier Radios