Am 27.6. erteilte der Medienrat der Sächsischen Landesmedienanstalt (SLM) einem bisher kommerziellen Privatradio eine Lizenz als Nichtkommerzielles Lokalradio (NKL) und gewährte dazu entsprechende Fördermittel.
Diese Entscheidung führt zur Konkurrenz zwischen privatwirtschaftlichen und partizipativen Akteur:innen der Medienlandschaft. Sie verringert längerfristig die mediale Vielfalt, durch Verringerung der Chancen für echte NKL und Aufweichung der an diese gestellten Qualitätsansprüche. Der Medienrat erhebt sich hier quasi zum Gesetzgeber, indem er Grundsätze der sächsischen Medienlandschaft verschiebt.
Wir sind erstaunt über die Kurzfristigkeit dieses Schrittes, der dieser Entscheidung offenbar zu Grunde liegenden mangelnden Fachlichkeit und dem fehlenden Blick der Akteur:innen in der Sächsischen Landesmedienanstalt für die Tragweite ihrer Entscheidung.
Community Radios gelten europaweit als unverzichtbare dritte Säule der Rundfunklandschaft. Im Sächsischen Privatrundfunkgesetz (SächsPRG) werden sie allgemein unter die nicht näher konkretisierten Nichtkommerziellen Lokalradios zusammengefasst. Diese haben in ihrer dreißigjährigen Geschichte Strukturen selbstorganisierten Journalismus stetig weiterentwickelt, Partizipationsräume geschaffen und erhalten, sowie tausende Menschen verschiedener Altersgruppen bei der Entwicklung von Medienkompetenz unterstützt. In den vier Freien Radios in Sachsen senden aktuell zusammen etwa 500 Personen, die damit einen wichtigen Beitrag zur demokratischen Kultur dieses Landes leisten.
Es ist nicht zu übersehen, dass die privaten Veranstalter in schwieriger Lage sind. Es ist Aufgabe auch der SLM, die damit verbundenen Probleme zu bearbeiten. Ob Förderungen der geeignete Weg sind, können und wollen wir nicht einschätzen. Für uns liegt aber auf der Hand, dass der Medienrat mit seiner Entscheidung, Gelder die für die Förderung von NKL vorgesehen sind, an temporär als nichtkommerzielle Anbieter umgelabelte Wirtschaftsunternehmen auszureichen, Grenzen verwischt, für die das SächsPRG grundlegend ist. Wir gehen davon aus, dass dies den Intentionen des Gesetzgebers widerspricht.
Der Medienrat sendet mit seiner Entscheidung fatale Signale: An die in den NKL aktive und/oder abgebildete Zivilgesellschaft, dass deren mediale Partizipationsmöglichkeiten von der SLM wohl nicht gewürdigt und in Folge nicht im notwendigen Rahmen gesichert werden sollen. An die Medienwirtschaft geht mit dieser Entscheidung das Signal, dass ihre Problemlagen mit unlauterem Gebaren temporär auflösbar scheinen. Dass sich die kommerziellen Anbieter ohne die notwendige Weiterentwicklung ihrer Geschäftsmodelle nach Ende der Mitnahmephase in der gleichen Situation wie zuvor wiederfinden werden, scheint als logische Folge in dieser Entscheidung eingepreist. Den fehlenden Blick der Konsequenzen für die sächsische Medienlandschaft als auch der deutliche Widerspruch zu bundesweit angewandten Standards, kann für alle von dieser Entscheidung Betroffenen nur irritierend wirken.
Wir fordern den Medienrat der SLM auf, die Gründe für die Entscheidung transparent zu machen. Wir fordern zudem, eine Erklärung zur Folgenabschätzung dieser und möchten in diesem Zusammenhang wissen, wie die SLM gedenkt, mit den nun mit Sicherheit hinzuwachsenden Begehrlichkeiten privatwirtschaftlicher Rundfunkveranstalter umzugehen. Für die bei den NKL aktiven Bürger:innen erwarten wir in diesem Zusammenhang ein plausibles Statement, um die in der Entscheidung der SLM herauslesbare Nichtwürdigung ihres z.T. jahrelang eingebrachten Engagements einzuordnen zu können.
Aus unserer Perspektive ist es an der Zeit, das Sächsische Privatrundfunkgesetz zu überarbeiten. Die Würdigung des Beitrags Freier Radios zu Demokratie, medialer Selbstbestimmung und Vielfalt durch entsprechende Gesetzgebung ist überfällig. Mit einer Klarstellung der Bedeutung der dritten Säule ergäben sich auch Anhaltspunkte für eine auskömmliche Finanzierung der Community Radios aus Mitteln des Rundfunkbeitrags. Schließlich und endlich ist es an der Zeit, die Strukturen und Gremien der SLM erst Recht nach diesem willkürlichen Handeln auf den Prüfstand zu stellen.