Mit mehr als 120 Teilnehmenden ist am 8. November 2015 die "Zukunftswerkstatt Community Media" des Bundesverbandes Freier Radios in Ulm zu Ende gegangen. Das war einer der bislang größten Kongresse Freier Radios in Deutschland. Das zeitgleich bei FreeFM in Ulm stattfindende Projekttreffen "danube streamwaves" hat auch einen internationalen Austausch mit Radiomachenden aus Österreich, Ungarn und Serbien ermöglicht.
In zahlreichen Panels, Workshops und Diskussionen tauschten sich Vertreter_innen nichtkommerzieller Radios und anderer emanzipatorischer, gemeinnütziger und unabhängiger Medien über aktuelle Entwicklungen der Medienpolitik und zu Fragen der programmlichen und technischen Weiterentwicklung aus. Noch immer gibt es in vielen Bundesländern keine angemessene öffentliche Förderung für Freie Radios und in einigen Bundesländern auch nach jahrzehntelangen Sendebetrieb noch nicht einmal die gesetzliche Anerkennung. Hierfür fordern wir dringend Verbesserungen.
Mit der bundesweit höchsten Dichte freier Radios in Baden-Württemberg wird die hohe Akzeptanz deutlich. Quer durch alle Parteien gibt es ein Bekenntnis zu nichtkommerziellem Radio. Insbesondere die grün-rote Regierung will laut Koalitionsvertrag „eine Lanze für die freien Radios brechen“. Dies wurde auf dem Eröffnungspodium durch die MdL Jürgen Filius (Bündnis90 / Die Grünen Baden-Württemberg) und MdL Sascha Binder (SPD Baden-Württemberg) bekräftigt. Auch die Vertreterin der Landesanstalt für Kommunikation Dr. Angela Frank lobte die Vielfalt der nichtkommerziellen Lizenznehmer (NKL) und sah beispielsweise die vorhandene Kompetenz im Bereich Flüchtlingsarbeit als besondere Eignung für die kommenden Herausforderungen. Nichtsdestotrotz wurde deutlich, dass die Ausstattung der NKL noch nicht ausreichend ist, um die anstehenden Aufgaben adäquat zu meistern. So forderte beispielsweise Joachim Stein, Vertreter des landesweiten Dachverbands Assoziation freier Gesellschaftsfunk AFF e. V., Zugang zu Geldern aus dem Bereich Medienpädagogik, um die vielen Anfragen von Schulen bewältigen zu können.
Ein starker Kontrast zeigt sich bereits im Nachbarland. Bayern bleibt weiterhin eines der Schlusslichter bei der Anerkennung Freier Radios. Erst im Oktober 2015 hatte die CSU eine von vielen hundert Menschen unterzeichnete Petition und daraufhin von SPD, Freien Wählern und Bündnis 90 / Grünen eingebrachte gemeinsame Gesetzesvorlage zur Anerkennung von Community Media in Bayern abgelehnt. Hier existieren selbstorganisierte und gemeinnützig arbeitende Sender wie Radio Z in Nürnberg und Radio Lora in München seit fast 30 Jahren - jedoch nicht im Bayerischen Mediengesetz. Und das obwohl Medienexpert_innen und -aktivist_innen dieses Gesetz seit Jahren fordern und sich hunderte Bürger_innen ehrenamtlich engagieren und damit gesellschaftliche Bedürfnisse erfüllen, die kommerzielle Medien nicht leisten können. (mehr Infos)
Auch in Berlin und Brandenburg gibt es bisher keine medienpolitische Anerkennung nichtkommerzieller Lokalradios. Nach Jahren des Stillstands scheint seit einigen Wochen aber wieder Bewegung in die Novellierung des Medienstaatsvertrags zu kommen. Im Oktober 2015 wurde von SPD- und CDU-Fraktion ein gemeinsamer Antrag in den Berliner Senat eingebracht. Der Senat wird darin aufgefordert, mit dem Land Brandenburg Verhandlungen aufzunehmen, mit dem Ziel im Medienstaatsvertrag eine Rechtsgrundlage für nichtkommerziellen regionalen oder lokalen Rundfunk und dessen Finanzierung durch die Medienanstalt zu schaffen. Wir fordern die Landespolitik in Brandenburg auf, in den anstehenden Verhandlungen im gemeinsamen Medienstaatsvertrag diese Grundlage zu schaffen.
Einen Schritt weiter ist da bereits eine andere Zwei-Länderanstalt. Seit Januar 2015 gilt in Hamburg und Schleswig-Holstein ein neues Mediengesetz. Erstmals werden damit Lokalradios in Schleswig-Holstein ermöglicht. Das im Frühjahr begonnene Zulassungsverfahren für drei nichtkommerzielle Standorte ist jedoch bis heute nicht abgeschlossen, während die ersten kommerziellen Zulassungen bereits vergeben wurden. Die nichtkommerziellen Initiativen an den Standorten Flensburg und Neumünster können ihren Sendebetrieb derzeit nicht aufnehmen, da die zugesagte Förderung der Medienstiftung Hamburg Schleswig-Holstein nicht ausreicht. Das Zulassungsverfahren pausiert bis auf unbestimmte Zeit. Wir fordern die Landespolitik in Schleswig-Holstein auf, diesen für die Initiativen unzumutbaren Schwebezustand endlich zu beenden und sich an Förderrichtlinien anderer Bundesländer wie beispielsweise Hessen, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg oder Thüringen zu orientieren. Als Bundesverband hatten wir bereits im vergangenen Jahr gegenüber der Staatskanzlei Kiel und dem Innen- und Rechtsausschuss des schleswig-holsteinischen Landtags die unzureichende Mediengesetzänderung kritisiert und Verbesserungen angemahnt. In Ulm wurde am vergangenen Wochenende die Neuaufnahme der Freien Radio Initiative Flensburg in den Bundesverband beschlossen.
Positive Entwicklungen gibt es derzeit aus Sachsen zu vermelden. Immer wieder standen Radio T, Radio Blau und coloRadio vor dem finanziellen Aus, weil die Sächsische Landesmedienanstalt eine Förderung zu großen Teilen verweigerte. Nach der erfolgreichen Gesetzesänderung in diesem Frühjahr hat der Medienrat der sächsischen Medienanstalt zunächst im Juli und ergänzend am 21. September 2015 der Förderung der drei Freien Radios in Dresden, Chemnitz und Leipzig zugestimmt. Neben der Förderung der Verbreitungskosten sind auch Unterstützung für technische Anschaffungen vorgesehen. Der BFR begrüßt die diesjährigen Förderzusagen begleitet mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit einer Ausweitung der Förderpraxis für die kommenden Jahre. Eine Unterstützung der Freien Radios auch bei Personal- und Sachkosten ist nötig, um eine längerfristige Planung zu ermöglichen und endlich Raum für eine Entwicklung der Freien Radios in Sachsen zu schaffen.
In Hamburg wurde vor einem Jahr ein schwerwiegender Eingriff in die Pressefreiheit bekannt. Das Freie Sender Kombinat (FSK) hat nun Anfang November 2015 beim Verwaltungsgericht Klage gegen die Behörde für Inneres und Sport eingereicht, um juristisch feststellen zu lassen, dass der Einsatz der Polizeibeamtin mit dem Tarnnamen „Iris Schneider“ im Radiosender zwischen 2003 und 2006 rechtswidrig war.
Im Bereich der digitalen Verbreitung beobachten wir die aktuelle Entwicklung bei der Einführung von DAB+ mit Sorgen. Wir sehen die Pluralität im Rundfunksektor gefährdet, da der öffentlich-rechtliche Rundfunk aktuell viele digitale Kapazitäten besetzt. Dadurch könnte eine zukünftige Verbreitung nichtkommerzieller und lokal bzw. regional ausgerichteter Rundfunkangebote erschwert und verhindert werden.
Weitere Ergebnisse und eine Dokumentation der "Zukunftswerkstatt Community Media 2015" können online abgerufen werden unter: http://www.community-media.net
Danke allen, die bei der Organisation der Veranstaltung mitgeholfen haben und für die finanzielle Unterstützung bei ALM, LFK und dem Bildungszentrum Bürgermedien. Die nächste Zukunftswerkstatt Community Media #zwcm2016 ist vom 20. bis 23. Oktober 2016 in Halle/Saale geplant, parallel zum dann gleichzeitig stattfindenden Festival "RadioRevolten 2".
Ansprechpartner für Rückfragen zur Abschlusserklärung sind Mark Westhusen oder Stefanie Arzt, die geschäftsführenden Vorstände des BFR
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Fax: 0345 / 47 00 746
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