Kritik an 88vier in Berlin - Vorschläge an die Medienanstalt
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- Geschrieben von: Medienmagazin
Das Berliner "Pi Radio" (seit 2010 BFR Mitglied) fordert von der Medienanstalt Berlin- Brandenburg (mabb) ein zugangsoffenes, hörerorientiertes, redaktionell arbeitendes, alternatives Radio für Berlin und sein Umland. Im Zuge der Neuausschreibung - des seit Mai letzten Jahres von der mabb initiierten "88vier" (Offener Kanal & freie Radioinitaitiven auf einem Sender) - haben sie ihre Kritik daran und drei konkrete Vorschläge veröffentlicht.
http://www.piradio.de/news/2011-03-02-pi-radio-neuausschreibung-88vier
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Pi Radio: 88vier-Kritik und Optimierungsvorschläge
Wir bitten den Medienrat, auf der 88vier einen Community-Radio-Bereich einzurichten von täglich 17 Uhr bis 24 Uhr, den die dort senden wollenden Gruppen eigenständig verwalten können. Auf längere Sicht bitten wir Sie, dafür eine eigene Frequenz zur Verfügung zu stellen.
Bestandsaufnahme und Kritik
Ein anspruchsvolles, hörerorientiertes redaktionelles Arbeiten ist aktuell für uns auf 88vier nur bedingt möglich. Denn: das Gesamtkonzept 88vier verlangt von uns, dass wir uns mit der 88vier identifizieren und eine Partnerschaft mit den uns zugeteilten Programmpartnern eingehen. Wir haben allerdings keinerlei Einflussmöglichkeiten, das Gesamtprogramm zu optimieren, wenn andere Programmpartner ihre Sendeversprechen nicht erfüllen. In der Folge machen uns die Hörer - bewirkt durch das Gesamtkonzept 88vier - für die Unzulänglichkeiten anderer Gruppen mitverantwortlich (obwohl wir eine eigenständige Sendeerlaubnis haben).
Die 88vier wirkt nach außen nicht attraktiv. Das Hörer-Feedback ist im Vergleich zu Veranstaltungsradios wie Herbstradio oder Radio Einheit äußerst gering, was in Anbetracht der hohen Anzahl an Musikrotation und Playlisten ohne Moderation kein Wunder ist. Die schlechte Empfangbarkeit in der Nordhälfte Berlins verstärkt die Attraktivität nicht gerade. Wir können und dürfen daran leider nichts ändern, da wir die 88vier nicht gemeinsam mit den anderen 88vier-Partnern selbst optimieren dürfen, sondern diese Aufgabe nur einmal im Jahr dem Medienrat (als übergeordnete Programmdirektion) zukommt.
Unsere Bitte: 88vier-Partner, die a) kein Studio finden, b) Nutzer des Offenen Kanals sind oder c) ihre Sendeversprechen nicht erfüllt haben, sollten in den Offenen Kanal integriert werden. Für sie ist eine eigenständige Sendeerlaubnis nicht erforderlich. Andernfalls käme es zu einer Deckungsgleichheit von 88vier und ALEX, was paradox wäre, wenn man bedenkt, warum die 88vier ins Leben gerufen wurde. Hiermit würden die Gruppen, die nicht auf ALEX senden wollen, klar benachteiligt. (Zudem: dass der Offene Kanal Programme anderer Radios übernimmt, anstatt eigenes Programm zu generieren/fördern, entspricht nicht seinem Auftrag.)
Wir bitten Sie, ein sowohl zugangsoffenes, als auch hörerorientiertes, redaktionell arbeitendes, alternatives Radio für Berlin und sein Umland zuzulassen. Das 88vier-Konzept muss dafür grundlegend umgestaltet werden. Unsere Vorschläge:
Vorschlag 1: Community-Radio-Bereich
Die Programmzeiten von ALEX werden ausgeweitet, damit alle Gruppen, die momentan ALEX-Programm produzieren, dort Platz finden. Wir schlagen ein tägliches Sendefenster von 6:00 Uhr früh bis 17 Uhr vor.
Von täglich 17 Uhr bis 24 Uhr wird ein Community Radio-Fenster eingerichtet für all die Gruppen, die bereit sind, sich intern nach demokratischen Prinzipien mit den anderen Partnern über Sendezeiten abzustimmen (basierend auf ihrem realen Programm). Dadurch ist die Flexibilität gewährleistet, um den Hörern ein redaktionell betreutes und entsprechend attraktiveres Programm anbieten zu können.
Die Sendezeiten von 0.00 bis 6:00 Uhr, also in der Nacht, werden extra vergeben. Unser Vorschlag: sie werden vom Community-Radio-Bereich koordiniert und können von allen, also auch den ALEX-Sendemachern, genutzt werden.
Vorschlag 2: Community-Radio-Frequenz
Die optimale Lösung für alle Beteiligten wäre: Sie schaffen für Community Radio eine eigene, selbstverwaltete Frequenz - z.B. als einjähriges Pilotprojekt zu Testzwecken auf 99,1 MHz.
Aus technischer Sicht spricht nichts gegen die 99,1 MHz. Die Frequenz wurde über 5 Monate lang als Veranstaltungsradio getestet und jeweils ohne Beanstandungen von der Bundesnetzagentur abgenommen. Wir würden für einen 99,1-Sendebetrieb keinerlei Förderungen (technisch oder finanziell) von Ihnen benötigen. Einzig der Status "nichtkommerzielles Radio" wäre für uns wichtig, um unter die GEMA-Vereinbarung der ALM zu fallen.
Die 88vier könnte dann vom Offenen Kanal allein genutzt werden, inklusive Ausbildungs- und Medienkompetenzprojekten sowie Sendegruppen, die sich nicht intern über Sendezeiten einigen wollen, sondern die einmal im Jahr vergebenen Sendezeiten des Medienrates präferieren. Die Vorteile eines Community Radios in Kürze zusammengefasst:
Community Radios gewährleisten neben Zugangsoffenheit auch eine Orientierung auf die Hörer - dadurch wird das Programm insgesamt attraktiver.
Community Radios organisieren und verwalten sich selbst, arbeiten redaktionell, Beschlüsse werden demokratisch gefasst. Community Radios sind ungleich kostengünstiger als bspw. ein Offener Kanal.
Zuletzt eine Referenz: Das EU-Parlament und der Europarat haben bereits 2008 und 2009 die Anerkennung für Community Media in allen Bundesländern ausdrücklich angemahnt.
Vorschlag 3: Mindestanforderungen
Sollten die Optimierungsvorschläge 1 und 2 nicht umsetzbar sein, so bitten wir zumindest, transparente Auswahlkriterien für die Sendezeiten-Vergabe einzuführen und den zukünftigen 88vier-Partnern bestimmte Auflagen zu erteilen. Ob dadurch die 88vier attraktiver wird, bzw. unsere Sendemacher im Ergebnis weiter auf 88vier senden wollen, können wir damit aber nicht garantieren.
a) Die 88vier-Sendezeiten sollten zukünftig nach folgenden Kriterien verteilt werden:
Anzahl der Redaktionen/Sendemacher Anzahl an Eigenproduktionen Anzahl an Live-Sendungen Anzahl an Wortmagazinen transparenter und verlässlicher Programmplan Wurde das Sendeversprechen des Vorjahres eingelöst?
b) Die 88vier-Programmpartner sollten zukünftig folgende Auflagen erfüllen:
Verbot von Programm- und Musikrotation Verbot von (unmoderierten) Playlists mehrstündige DJ-Sets erst ab 0:00 Uhr Quote von 75 % Eigenproduktionen Moderation der Sendungen
Wenn die Angaben der Antragsteller nicht der Realität entsprechen, bzw. die (eigentlich selbstverständlichen) Auflagen nicht erfüllt werden, muss es in Zukunft möglich sein, die betreffende Sendezeit umgehend Programmveranstaltern übergeben zu können, die diese Auflagen erfüllen und mehr Sendezeit benötigen.
Pi Radio